"Nur wer entflammt ist, kann ausbrennen" (G. Possnigg - Website)
www.burn-out.at

Netzwerk BurnOutNet

Persönlichkeitsstörung "Borderline"


Seminar im Progress-Zentrum Klagenfurt vom 4. bis 5. Mai 2001; Seminarleiter : DSA Michael Vorlaufer und Dr. med. Günther Possnigg

Text: DSA Andrea Paul; Referat für Jugend und Familie; Außenstelle 9170 Ferlach

Leben zwischen Schwarz und Weiß

"Borderline Syndrom" ist ein noch recht junger Begriff (erstmals Stern 1938). Borderline-Persönlichkeiten sind "Grenzgänger" in vieler Hinsicht.

Der Borderliner kann weder in sich noch in seine Umwelt Vertrauen setzen, daher erlebt er sich und andere als unsicher, instabil, chaotisch und fühlt sich ständig massiv in seiner Existenz betroht. Es wundert nicht, dass viele, die sich ernsthaft mit dem Erscheinungsbild und der Therapie des Syndroms auseinandersetzen, meinen, diese Krankheit spiegle das vorherrschende Bild unserer Gesellschaft wider, die ja ebenfalls zunehmend das innere Gleichgewicht verliert und der zunehmend die Sicherheit von Orientierungsstützen fehlt.

Der Borderliner lebt in einer permanenten inneren Widersprüchlichkeit, er ist ein Zerrissener zwischen einer schwarzen und einer weißen, einer absolut bösen und einer absolut guten Welt. Er kennt keine Zwischentöne. Er kennt nur das Entweder / Oder.

Die ersten drei Lebensjahre sind für die Entwicklung eines Menschen von enormer Wichtigkeit (Urvertrauen, Orientierung zwischen Gut und Böse, Identitätsgefühl, eigene Autonomie erkennen, Grenzen der vermeintlichen Allmacht erkennen, sich verlassen können)

Diese Entwicklungsschritte können kaum störungsfrei ablaufen. Ist durch eine biologische Prädisposition eine besonders starke Kränkbarkeit und Verletzbarkeit vorgegeben, dann wird die Störungsanfälligkeit entsprechend größer sein. Auch stehen die Eltern nicht unbelastet im Leben (Trauer, Wut, Unverlässlichkeit, Verzagtheit,...). Fatal für das Kind sind aber vor allem chronifizierte Mangel- und Konfliktsituationen.

Es gibt keine endgültige Antwort auf das Warum; es gibt lediglich Hypothesen. Häufig findet man in der Kindheit des Betroffenen aber ein Verlassenheitstrauma.

Borderliner sind untergründig als Kleinkinder verunsichert worden. Davon können sie als Jugendliche und Erwachsene immer noch blockiert sein. Das Gefühl, unvorhersehbar, unberechenbar schlimm aus dem seelischen Gleichgewicht geraten zu können, überträgt sich im Zusammensein auf andere.

Borderliner setzen andere nicht aus Bosheit dieser spannungsvollen Atmosphäre aus, sondern unbewusst. Sie sind immer auf der Suche nach einem Überlebensmodell, mit dem sie sich identifizieren können.

Klinische Definition für die Borderline-Persönlichkeitsstörung

Mindestens fünf der acht folgenden Kriterien müssen zutreffen:

1) unbeständige Partnerbeziehungen
sehr intensive, überstürzte, klammernde, idealisierte aber auch ambivalente Beziehungen; häufiger Partnerwechsel; rasche Trennung und Entwertung

2) Impulsivität
Drogen, Alkohol, Spielsucht; Essstörung; Promiskuität; rücksichtsloses Autofahren

3) Affektive Instabilität
Traurigkeit, Depression, Angst; sehr plötzlicher Wechsel - "kippen" - ohne erkennbaren Anlass

4) Unangemessener Zorn
Gereiztheit, körperliche Aggression, Gewalttätigkeit; schon geringe Kränkungen führen zu unkontrollierbaren Ausbrüchen

5) Autoaggression
Selbstverletzungen, Selbstmordversuche, Parasuicide - plakativ-demonstrativer Charakter, aber auch ritualisiert und geplant; Unfälle und Verletzungen tragen dazu bei, den Körper zu spüren

6) Identitätsstörung
Identität nur durch Interaktion mit anderen definiert; häufiger Wechsel des Arbeitsplatzes; wechselnde Werte, Freunde

7) Chronisches Leeregefühl
Langeweile; absolute Unfähigkeit, allein zu sein; schmerzliche Einsamkeit; innere Getriebenheit; Bedürfnis, diese Gefühle mit selbstschädigenden Handlungen zu füllen

8) Fehlende Objektpermanenz
alleinsein = verlassen, isoliert; selbst nicht existieren; Realitätsbezug fehlt Borderline- Diagnosen sollten nicht vor Abschluss der Pubertät bzw. Adoleszenz gestellt werden (bei Jugendlichen/Kindern stehen Symptome für eine Entwicklungsstörung)

Im Gegensatz zur BL-Persönlichkeitsstörung unterscheidet man die BL-Persönlichkeitsorganisation (dieser Begriff kann auch ohne Krankheitswertigkeit verwendet werden)

Psychodynamische Kriterien (nach Otto Kernberg):

- Wechselndes Realitätsgefühl
paranoide Wahnideen, Gefühl "wie im Nebel" zu leben

- Nicht-spezifische Funktionsschwäche
geringe Frustationstoleranz, geringer Kontakt zu eigenen Gefühlen, rasche Regression

- Pathologische Auffassung von anderen
fehlende Objektpermanenz, Unfähigkeit allein zu sein, Helfersyndrom

- Primitive Abwehr
Schwarz-Weiß-Denken; Aberglaube, magisches Denken

- Primitives Denken
einfache, wenig komplexe Denkprozesse stehen im scheinbaren Gegensatz zur Schulbildung und praktischen IQ

- Pathologische Selbstauffassung
fehlende Identität; Definition des Selbst nur durch das Vorhandensein anderer

Strategien für den Umgang mit Klienten mit BL-Persönlichkeitsstörung

Voraussetzungen:

1) Kenntnis der Störung
durch persönlichen Eindruck, Fachwissen, Anamnese, psychiatrische Befunde, psychologische Tests

2) Erheben des Klientensystems
familiäre Ressourcen, Wohn-, Arbeitssituation, finanzielle Situation

3) Kenntnis eigener Aufgaben
Aufgabe des Helfers, Grenzen der Hilfe Introspektion -"wo reagiere ich emotional, wo lasse ich mich manipulieren?" Hilfe für Helfer durch Supervision, Reflexion, Teilung der Kompetenzen)

4) Klare Vorstellungen des Helfers über
- eigene Ziele
- eigene Grenzen
- Setting
- Arbeitsvertrag

Vernetzung von Helfersystemen

Helfersysteme brauchen

1) gleiche Spielregeln
2) gleiche Verantwortlichkeit als Mensch (soweit möglich)
3) Initiativen anderer Helfer wertschätzen (eigene Grenzen!)
4) Informationsweitergabe
5) Sensibilisierung der Helfer für Grenzverletzungen, Manipulationen, Übergriffe; Ausspielen der Helfer
6) Expertenmeinungen zur Absicherung und Dokumentation
7) Ressourcenpool (finanziell, Therapien, Notfallsaufnahmen,..)

Zwischen Helfer und Klient:

1) klare Handlungsvereinbarungen
- Struktur schaffen, zeitliche Rahmen
- Ziele definieren, kleine Arbeitsschritte
- Grenzen setzen: Selbstschutz und Schutz für Klienten

2) Eigenverantwortlichkeit belassen:
Kein Helfer(-system) nimmt Klienten die Verantwortlichkeit ab. Es handelt sich nicht um Psychotiker oder Schwachsinnige, sondern um normal intelligente Leute mit einer Persönlichkeitsstörung.

3) Eigeninitiativen fördern
Zugang zu Ressourcen, Therapien, Arbeit,... selbst erarbeiten lassen

4) Notfalls-Interaktionen sollen auf dem SET beruhen:
S - Support: Unterstützung anbieten
E - Empathy: Mitgefühl zeigen
T - Truth: Wahrheit sagen

5) Im Falle der Eigen- oder Fremdgefährdung besteht Handlungsbedarf
Psychiatrie, Kinderabnahme,...

DSA Andrea Paul
Referat für Jugend und Familie
Außenstelle 9170 Ferlach


Copyright 2001 office@burn-out.at

www.burn-out.at

Home